SCHATZ - wir müssen reden! Anja Herberth tut es: Im neuen Separée!

Text: Anja Herberth, Grafik Tim Weiffenbach

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Methoden zur Verhütung gibt es viele, die zuverlässigsten sind in weiblicher Hand. Die Entscheidung für eine davon ist oft von Kompromissen geprägt.

Das Wunschprofil für Verhütungsmittel liest sich wie eine Liste an den Weihnachtsmann. Sicher sollte es sein und wie der perfekte Kellner den erotischen Reigen komplettieren, ohne selbst eine Hauptrolle zu spielen.

Die einfache Anwendung versteht sich von selbst, die Nebenwirkungen sowie der ökologische und ökonomische Fußabdruck (im Portemonnaie) sollten minimal sein. Der gewünschte Effekt muss reversibel sein, denn wenn der Traumprinz um die Ecke kommt (das wäre dann die nächste Liste an den Weihnachtsmann), könnte sich der Wunsch nach einem Kind ergeben. Manche Frauen möchten auch dem Mann die Gelegenheit geben, die Verhütung zu steuern.

Nur leider ist die schlechte Nachricht: Es gibt weder den Weihnachtsmann, noch die universell passende Verhütungsmethode. Vielmehr ist die Wahl des geeignetsten Mittels immer eine ganz individuelle Entscheidung: Welche Aspekte sind mir derzeit in meinem Leben besonders wichtig und welche spielen eher eine Nebenrolle? Hier eine Entscheidungshilfe:

1.   Sicherheit

Wie sicher ein Verhütungsmittel ist, wird durch den Pearl-Index angegeben. Ein Index von 1 bedeutet, dass eine von 100 Frauen, die diese Methode ein Jahr lang anwenden, schwanger wird. Je niedriger also der Pearl-Index, desto sicherer ist die Verhütungsmethode.

Hier ist jedoch Vorsicht geboten, denn die Sicherheit hängt immer auch von der richtigen Anwendung ab. Außerdem ist es nicht nur der Schutz vor einer Schwangerschaft, der überlegt sein will. So hat das Kondom zwar einen sehr schlechten Pearl-Index, wird aber dennoch gerne verwendet, da es als eine der wenigen Methoden vor vielen sexuell übertragbaren Krankheiten schützt. Der Ruf des Kondoms als unsicheres Verhütungsmittel und Lustkiller geht jedoch auf Anwendungsfehler in der Praxis zurück, die einfach vermieden werden können. Folgenschwere „Unfälle“ passieren, weil sich der Penis dummerweise nicht an die Größennormierungen der Industrie hält. Das Verhüterli ist manchmal zu groß und rutscht oder zu klein und wird dann zu stark beansprucht. Kondome, die der individuellen Penisgröße entsprechend ausgewählt sind, verbessern nicht nur Tragekomfort und Empfindungsvermögen, sie gewährleisten durch ihre Passgenauigkeit auch eine höhere Sicherheit. Verhütung nach Maß ist heute diskret im Internet bestellbar. Preise variieren je nach Online-Shop und beginnen bei ca. 70 Cent pro Stück.

Die sichersten Verhütungsmethoden neben der Sterilisation und der Kupferspirale sind hormonelle Systeme. Gestagen und Östrogen beeinflussen unseren hormonellen Kreislauf, unterdrücken je nach Dosierung den Eisprung und verändern das Milieu in Gebärmutter und Eileitern, sodass sich keine Eizelle einnisten kann.

Natürliche Varianten wie die Temperaturmessung oder die Kalendermethode schützen am schlechtesten vor einer ungewollten Schwangerschaft. Denn eine Eizelle ist bis zu 24 Stunden nach dem Eisprung befruchtungsfähig, Spermien überleben aber im Genitaltrakt der Frau bis zu fünf Tage. Ungeschützter Geschlechtsverkehr auch in den fünf Tagen vor dem Eisprung birgt deshalb das Risiko einer Schwangerschaft.

Eine Methode, um die fruchtbaren Tage festzustellen, beruht auf der Tatsache, dass sich in dieser Phase die Basaltemperatur, also die Temperatur im Inneren unseres Körpers, erhöht. Das Problem: Der Anstieg beträgt lediglich etwa 0,2 Grad Celsius, und der will erst einmal korrekt nachgewiesen werden. Die Temperatur in unserem Körper wird durch viele verschiedene Komponenten beeinflusst, nicht nur durch unseren Monatszyklus. Problematisch sind etwa Alkohol, Stress, Schlafstörungen, Krankheiten sowie Medikamente.

Die Kalendermethode wiederum basiert auf den Daten eines sehr stabilen Zyklus. Auf dieser Grundlage werden die fruchtbaren Tage errechnet. Der weibliche Zyklus hält sich aber leider nicht an Pläne, und daher wird der Methodik nur eine sehr geringe Sicherheit zugeschrieben.

2.   Störfaktor & einfache Anwendung

Dieser Punkt ist sehr individuell zu entscheiden. Ist das Aufrollen und Benutzen eines Kondoms mit einem Sturzflug der Erregungskurve verbunden, sollten andere Verhütungsmethoden bevorzugt werden. Über einen Wechsel zu anderen Verhütungsmöglichkeiten kann man dann nachdenken, wenn in einer Beziehung sexuell übertragbare Krankheiten kein Thema sind.

Einige der Verhütungsmethoden entfalten ihre Wirksamkeit lediglich mit einer regelmäßigen Einnahme (Pille), sind mit steten Besuchen beim Gynäkologen verbunden (3-Monats-Spritze) oder müssen – wenig spontan – rechtzeitig vor dem Geschlechtsverkehr eingeführt werden, z. B. Zäpfchen oder ein Diaphragma. Hierbei handelt es sich um eine kuppelförmige Gummimembran, die vor dem Muttermund platziert wird. Eine Weiterentwicklung der Portio- oder Muttermundkappe, das Lea Contraceptivum, legt sich durch Unterdruck fest an die Scheidenwand an und hält es am korrekten Platz direkt vor dem Muttermund. Bei beiden Barrieremethoden wird zugleich auch ein spermienabtötendes Gel verwendet, das die Sicherheit erhöht. Für diese Verhütungsmittel benötigen Frauen ein wenig Übung für deren korrekte Platzierung. Außerdem müssen die Kappen noch mindestens acht Stunden nach dem Geschlechtsverkehr in der Scheide verbleiben.

Natürliche Varianten sind meist mit einem größeren Aufwand verbunden. Bei der Temperatur- und Kalendermethode müssen Frauen ihren Körper sehr gut kennen, die Messungen sind regelmäßig und sehr genau durchzuführen. Mehr Sicherheit bietet die symptothermale Methode, welche die Temperaturmethode mit der Zervikalschleim-Methode kombiniert. Sie ist dadurch aber auch komplizierter in der Umsetzung, denn hier ist die Beschaffenheit des Schleims, der im Scheideninneren abgesondert wird, genau zu untersuchen. Rückt der Eisprung näher, steigt der Östrogenspiegel und der Flüssigkeitsgehalt der Scheide nimmt zu. Der Schleim ist flüssiger und klarer, in der fruchtbaren Phase ist er zwischen zwei Fingern „spinnbar“, d.h. es entsteht ein langer, durchsichtiger Faden.

 

3.   Nebenwirkungen

Jede Methode hat ihre gewünschten oder auch unerwünschten Nebenwirkungen. Chemiekeulen wie Beschichtungen, Gels oder Schaum führen im schlimmsten Fall zu allergischen Reaktionen und Reizungen. Eingriffe in den hormonellen Haushalt können positiver Natur sein, wenn sie beispielsweise im Kampf gegen die Akne unterstützen oder die Regelblutungen schwächen. Mögliche Begleiterscheinungen sind aber auch vaginale Pilzinfektionen, Depressionen, Zwischenblutungen, Gewichtszunahme oder die Minderung der Libido.

Lebensbedrohliche Nebenwirkungen wie Thrombosen sind erst in den vergangenen Jahren wieder in den Fokus gerückt. Die Kombinationspillen der neueren Generation galten als sichere Alternative, sie kombinieren Östrogen mit einem Gestagen. Aber auch diese neuen Pillen sind in Verdacht geraten, ein erhöhtes Risiko für eine Thrombose mit sich zu bringen. Vor allem übergewichtige Frauen, Raucherinnen und Frauen mit erhöhtem Blutdruck sollten von einer Verhütung mit der Pille eher absehen.

Versuche, die Pille für den Mann zu entwickeln, scheiterten bisher unter anderem aufgrund der Nebenwirkungen wie starke Akne, Stimmungsschwankungen oder reduzierte Libido.

4.   Ethisch & ökologisch


Menschen, die darauf achten, dass ihr Alltag frei von ethisch und ökologisch fragwürdigen Produkten ist, haben es in puncto Verhütung schwer. Ethisch-ökologische Ansprüche und eine hohe Sicherheit widersprechen sich leider.

So sind etwa sämtliche hormonelle Methoden in Tierversuchen getestet worden. Veganer, die auf den Verzehr von Tierprodukten verzichten, finden sogar in den meisten Kondomen Spuren von Casein, einem Bestandteil der Milch. Auch in vielen Pillen ist Laktose (Milchzucker) enthalten, Gleitmittel und Beschichtungen enthalten oftmals tierisches Glyzerin.

Bleiben noch die natürlichen bzw. messenden Verhütungsmethoden, aber selbst diese sind nicht immer vegan. So können Teststreifen, etwa für den Verhütungscomputer Persona, mitunter geringe Mengen an Rinderprotein aufweisen. Es dient als Reaktor für menschliche Hormone.

So bleibt meist nur der Kompromiss. Im Internet wird in Foren zur veganen Lebensweise diskutiert, ob die Kupferspirale eine passende Alternative darstellt. Bei der Kupferspirale werden Kupferionen permanent in kleinen Mengen abgegeben, was die Beweglichkeit der Samenfäden hemmt und die Befruchtung der Eizelle sowie deren Einnistung in der Gebärmutter verhindert. Ebenso lässt sich streiten, ob die sehr geringe Hormonfreisetzung durch die Hormonspirale in diesem Zusammenhang akzeptiert wird, um eine sichere Verhütung zu gewährleisten

5.   Ökonomisch

Zu den günstigsten Verhütungsvarianten zählen logischerweise die natürlichen Methoden. Für die Kalendermethode benötigt man lediglich Stift und Zettel, für die Temperaturmethode ist nur die einmalige Investition in ein spezielles Thermometer oder in einen Temperaturcomputer erforderlich. Diese Computer speichern die mittels Einweg-Teststäbchen gemessenen Werte des hormonellen Zyklus, womit die Zettelwirtschaft beseitigt wird. Sie kosten zwischen 100 und 200 Euro. Auch für die symptothermale Methode gibt es diese kleinen Helferlein, die wie die Verhütungscomputer in dieser Preisklasse zu finden sind.

Eine höhere Investition stellt die Spirale dar. Kupfer- und Hormonspiralen sind mit Kosten in Höhe von ca. 250 bis 500 Euro verbunden. Der Vaginalring, ein biegsamer Ring, der von der Frau selbst in die Scheide eingeführt wird und die Hormone Östrogen und Gestagen in kleinen Mengen freisetzt, ist mit monatlichen Kosten von ca. 20 Euro verbunden. Die Sterilisation der Frau (ca. 600 Euro) bringt einen Krankenhausaufenthalt mit sich, die Vasektomie kostet den Mann zwischen 300 und 600 Euro. Pro „3-Monats-Spritze“ ist mit einem Aufwand von etwa 30 Euro zu rechnen.

Die Pille kostet zwischen 5 und 15 Euro pro Monat, die Kosten für Kondome variieren je nach Anbieter, sind aber in der Regel preislich sehr günstige Verhütungsmethoden.

6.   Reversibel

Die Wahl des Verhütungsmittels ist immer auch mit der Frage nach seinen Folgen verbunden. Ist die Methode reversibel, d.h. kann ich später also ein Kind zeugen bzw. schwanger werden. Sterilisationen sollten immer erst dann in die Überlegung einbezogen werden, wenn die Familienplanung definitiv abgeschlossen ist. Eine Vasektomie beim Mann wird zwar oftmals als reversibel angegeben, aber ganz so einfach ist die Sache dann doch nicht. So bleibt danach oftmals doch nur die Option der künstlichen Befruchtung.

Bei hormonellen Methoden benötigen Körper und Hormonhaushalt lediglich genügend Zeit. Bis zu einem Jahr kann es etwa dauern, bis nach der Absetzung der Pille wieder ein regelmäßiger Zyklus bei der Frau eintritt.

7.   Für den Mann

Es gibt nur sehr wenige Verhütungsmethoden für den Mann: Kondom, Vasektomie und Enthaltsamkeit. Bis dato ist hier dann auch schon Schluss bei den Varianten, die der Mann kontrollieren kann. Bereits vor Jahren haben sich die großen Pharmakonzerne aus der Entwicklung einer „Pille“, oder besser gesagt Spritze für den Mann zurückgezogen. Auch die Methoden, die nun angekündigt werden, sind von eher kleineren Unternehmen getrieben.


Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Zum einen gibt es bereits sehr sichere Methoden, für die es jahrzehntelange Erfahrungswerte gibt. Eine Neuentwicklung müsste also effektiver sein, um am Markt sinnvoll zu sein. Außerdem ist es einfacher, den weiblichen Zyklus unter „Kontrolle“ zu bringen als 100 Millionen Samenzellen, die der Mann im Schnitt  pro Tag produziert. Bei der Frau ist es lediglich eine Eizelle pro Monat, und es gibt eine unfruchtbare Phase, die man mittels Hormonen simulieren kann.

Prinzipiell gibt es beim Mann mehrere Ansätze, wie verhütet werden könnte. So kann man die Spermienproduktion oder deren Ausreifung verhindern (z. B. durch Wärme), den Transport unterbinden (z. B. mittels Vasektomie), die Samenzellen verändern und deren Beweglichkeit einschränken, ihre Befruchtungsfähigkeit oder einfach das Deponieren in der Scheide verhindern.

Getestet werden zur Zeit einige Methoden, die aber noch lange nicht Marktreife erlangt haben. So wird an einem Vasalgel geforscht, das die Innenwände des Samenleiters verengt. Eine technisch schwierige Herausforderung, da der Samenleiter nur unter dem Mikroskop zu erkennen ist und das Vasalgel mit einer sehr dünnen Nadel sehr genau eingespritzt werden müsste.

Überlegt wird aber auch eine Ultraschallbehandlung der Hoden. Dabei werden die Hoden in warmes Wasser gelegt, was generell schon zu einer temporären Unfruchtbarkeit des Mannes führen kann. Früher setzten sich Japaner zu diesem Zweck übrigens in 50 Grad heiße Quellen. Wie wichtig der Schutz vor Überhitzung ist, zeigt sich in der Anatomie (die Natur denkt an alles!), denn die Hoden befinden sich nicht der Ästhetik halber außerhalb des Körpers und hängen herunter, sie sollen dadurch auch gekühlt werden.

Enorme Nebenwirkungen haben sich in Tests mit Testosteronspritzen gezeigt. Denn wird das Hormon dem Mann künstlich verabreicht, stellt das Gehirn dessen Produktion und auch die der Samenzellen ein. Zu viel Testosteron machte die Männer aggressiv, sie litten an Akne, Fettleibigkeit und reduzierter Libido. Aus diesem Grund rechnet man eher nicht mit einer Marktreife dieser Methodik.

Vielleicht werden wir uns in der Zukunft aber gar nicht mehr mit dem Thema Verhütung und seinen zum Teil sehr komplizierten Techniken beschäftigen müssen. Die Stiftung von Bill Gates unterstützt ein Projekt, das einen kleinen Chip entwickelt, mit dem Frauen 16 Jahre lang ihre Verhütung steuern können. Er wird unter die Haut gepflanzt und per Fernbedienung aktiviert, um Hormone abzugeben. Carl Djerassi, der Miterfinder der Pille, denkt sogar, dass wir in der Zukunft unsere Spermien und Eizellen in jungen Jahren einfrieren werden und uns danach sterilisieren lassen. Bei Bedarf können wir dann, wenn es in die Biografie passt, mit Hilfe künstlicher Befruchtung schwanger werden. Lassen wir uns überraschen, wohin die Reise gehen wird. In amerikanischen Unternehmen wie Apple und Facebook hat die Zukunft bereits begonnen: Sie zahlen ihren Mitarbeiterinnen die Kosten für das so genannte Social Freezing.

Wichtigste Methoden im Überblick

Grafik Tim Weiffenbach

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